1877, Briefe 585–674
591. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Sorrent,> 27 Januar 1877.
Meine herzlichsten Glückwünsche voran, meine geliebte Mutter; wir wollen zusammen wünschen, daß Dein kommendes Lebensjahr mehr von Leid Verlust und Sorgen verschont bleiben möge als das vergangene.
Einen eigentl. Brief kann ich nicht schreiben, es greift mich so an, daß ich es immer ein Paar Tage zu büßen habe (so wie neulich als ich endlich der armen Frau Ritschl schreiben mußte) Es gab immer wieder schlechte Tage und Stunden; in summa glaube ich aber, es geht vorwärts, nur soll niemand glauben, daß es auf einmal gut gehe. Wir haben es jetzt auch ein Bischen frisch und windig. Meinem Kopf scheint es immer noch an Blut zu fehlen; ich habe die letzten 10 Jahre zu viel nachgedacht (was bekanntlich mehr angreift als wenn man nur „zu viel arbeitet“: obwohl ich dies auch gethan habe.)
Wo mag nur die französ. Übersetzung meiner Schrift über Wagner bleiben? — Man liest mir jetzt Lorenzo Benoni vor, wir freuen uns alle daran.
Dr Rée hat sein Manuscript „über den Ursprung der moralischen Empfindung“ an Schmeitzner geschickt. — Brenner hat hübsche Novellen geschrieben, Frl. von Meysenbug arbeitet an einem Roman. — Es ist möglich, daß Fürst Lichtenstein sich unsrer kleinen Gemeinde anschließt. Später kommen Seydlitz und Frau, schon angekündigt; auch einige römische Damen.
Ich werde Euch später lehren, wie man Risotto macht, das weiß ich nun.
Zuletzt meinen schönsten Dank für Deinen unterhaltenden langen Brief
Dein Fritz.