1860, Briefe 124–201
197. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 3. Dezember 1860>
Liebe Mamma!
Unser Zusammentreffen hat mir gestern sehr gefallen; es ist doch viel gemüthlicher, wenn niemand mit ist. Wir können uns doch viel mehr genießen. Ich bin ganz glücklich und zur rechten Zeit nach Pforta gekommen, aber über und über schmutzig.
Meine Kiste folgt heute mit schmutziger Wäsche; ich habe dir übrigens gestern zu sagen vergessen, daß du mir diesmal gar keine Vorhemdchen mitgesandt hast. Was ich anhabe, ist ganz schmutzig; du wirst es wohl gestern bemerkt haben. Bitte sende mir recht bald welche nach!
Ich wäre jetzt diese schöne Zeit in Erwartung von Weihnachten so sehr gern in Naumburg. Ich dachte heute daran, wie gemüthlich es doch ehemals war gerade auch diese Zeit. Donnerstag ist H. Niklas; so ein Fest vermißt man doch in Pforta sehr.
Was übrigens meine Weihnachtswünsche anbetrifft, so will ich die hier gleich mittheilen. Es ist zweierlei.
Sheakspeare’s dramatische Werke
übersetzt von Meheren. Mit Stahlstichen.
Hauschoralbuch, wie es der Onkel Edmund hat.
Mit Anhang.
Du wirst doch gewiß nicht leugnen, daß mir beides sehr nützlich sein wird. Denn einen Sheakspeare muß ich nun einmal haben, da seine Kenntniß zur allgemeinen Bildung gehört und wir sehr oft in den höhern Klassen Themata über einzelne Stücke bekommen. Wie schön und nützlich der andre Wunsch ist, wirst du daraus erkennen, daß mir bis jetzt ein solches Choralbuch, wo alle Choräle in ursprünglicher Form sind, gänzlich fehlt. Ueber dies brauche ich es auch nothwendig zu einem andern Behufe, den ich dir aber jetzt noch nicht enthüllen kann. Nun, ich hoffe, daß der Weihnachtsmann gnädig sein wird. In dieser guten Hoffnung verbleibe
ich mit vielen Grüßen an Lisbeth
Dein FWNietzsche