1860, Briefe 124–201
188. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 20. Oktober 1860>
Liebe Mamma!
Du kannst dir wohl denken, liebe Mamma, daß es mir vorigen Donnerstag sehr leid that, nicht nach Naumburg kommen zu können; aber die lange Rede des Hr Prof. Steinhard, das verzögernde Essen hielt mich so auf, daß ich nicht mehr zwei Stunden hatte. Ich glaubte, ihr würdet vielleicht den Vormittag zum Festaktus herauskommen; Braune der zweite trug ein eignes Gedicht vor, wie ich dir wohl schon erzählt habe. die Festrede des Prof. Steinhard über Stein war wunderschön. —
Dann danke ich dir viele mal, daß du mir den Kuchen auf meinen Wunsch sogleich heraus geschickt hast. Er hat wunderschön geschmeckt; ich habe redlich davon mitgetheilt. Auch die Birnen waren wunderschön schmackhaft und saftig. — Den Abend waren wir auf dem Berg, wo viel Feuerwerk abgebrannt wurde. — Morgen Sonntag sehen wir uns doch jedenfalls bei guten Wetter in Almrich. Schenk will auch mitkommen. —
Wir sind jetzt immer sehr geschäftig und haben viel, sehr viel zu thun. Ist Lisbeths schönes Geschenk, auf das ich mich noch sehr freue, angekommen? Das ist überhaupt sehr hübsch bei meinem Geburtstag, daß ich immer noch etwas zu erwarten habe. —
An Wilhelm und Gustav habe ich auch geschrieben. Du bist wohl so gütig und besorgst den Brief dahin. —
Nun leb wohl, liebe Mamma! Grüße die liebe Lisbeth vielemal von mir! Morgen also auf Wiedersehn!
Dein FWNietzsche
N B Streichhölzchen und Vorhemdchen fehlen mir.