1860, Briefe 124–201
151. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 30. Mai 1860>
Liebes Mammächen!?
So ist denn diese schöne, prächtige Ferienzeit wieder vorüber und ich muß mich wieder in die unvermeidlichen Banden fügen. Dieses einförmige, geräuschlose Leben ist doch völlig von den freien, selbstgewählten Beschäftigungen verschieden; ich wünsche mir die Ferien eigentlich sehr wieder herbei. Denn mir erscheint es fast, als ob man mehr als hier noch thun könnte, da man nach Wille und Wunsch arbeitet. — Ich bin gestern Abend dreiviertel auf zehn angekommen; zuletzt sind wir ziemlich rasch gegangen. Es that mir sehr leid die Gesellschaft zu verlassen; denn ohne Lisbeth zu nahe zu treten; Herr Füllsel ist doch ein ganz interessanter Mann. Ist es denn noch lustiger allmählich geworden? Es schien sich die Unterhaltung in Privatunterredungen aufzulößen und Grund und Veranlassung war genug da, gewisse Streitfragen in das Gespräch zu ziehn. — Ihr erhaltet heute eine leere Kiste, die ich aber morgen gefüllt erwarte. Sehr würde ich mich auch über einige Ueberbleibsel des Mahles freun, denn mein Schrank ist leer, wie mein Beutel. Außerdem sendet mir Morgenschuhe, Stiefelknecht, Psalter und Harfe und Spittlers Kirchengeschichte (beides liegt auf dem Glasschrank) ebenso meine guten Beinkleider, und dann das betreffende Geld. — Grüße die Lisbeth und den Onkel vielmal von mir! Es ist wirklich kläglich, daß die Ferien schon zu Ende sind!
Es wünscht allen Gesundheit
und Wohlergehen,
sich selbst das Andenken
und die Liebe aller
FWNietzsche.