1860, Briefe 124–201
192. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 24. November 1860>
Liebe Mamma!
Dein Brief und Deine Kiste hat mir viel Freude gemacht; auch für die Äpfel danke ich vielemal. Wie leid thut es mir, daß wir uns morgen zum Todtenfest, wo wir doch so gern zusammen sein möchten, nicht sehen können. Und so müssen wir uns auf nächsten Sonntag getrösten, wo ich euch dann in Almrich mit Schenk treffen werde. Er ist noch nicht von der Krankenstube, wie überhaupt der H. Doktor die Reconvalescenten immer etwas lang drüben behält. Uebrigens darfst du ja nicht denken, daß ich so ganz beliebig, wenn ich Zeit habe, herüber gehen kann. Da muß ich erst allemal mir einen Zettel vom Hebdomadar unterschreiben lassen die Krankenstube ist ohnedem nur alle Tage von 1—½ 2 Mittag offen. Und wie wenig Zeit habe ich gerade zu dieser Zeit! Doch habe ich ihn im Schulhaus, in das er jetzt öfters auf kürz’re Zeit kommt, öfter gesprochen, ihn auch mit Büchern zum Lesen versehn. Was ich sonst noch thun soll, das weiß ich nicht; auch hab’ ich nicht die Zeit dazu. Nun sind es noch vier Wochen bis Weihnachten; ich freue mich schon sehr darauf, werde auch wohl nächstens meinen Wunschzettel senden. Das sind doch sicherlich die schönsten Tage des Jahres. — Wenn Du übrigens Nüsse für Weihnachten haben willst, so rathe ich dir zu den Saalhäusern, die wirklich sehr schön und billig (Schock 1 Srg) sind. — Es ist dort sonst nichts mehr los; weder Weintrauben noch trin>k>barer Most ist vorhanden. —
Daß ihr euch alle wohlbefindet, ist mir sehr lieb; ich habe die ganze Woche sehr auf einen Brief gewartet. Nun leb recht wohl; grüße Lisbeth vielemal von mir! Ich habe sie auch so lange nicht gesehn! —
Dein FWNietzsche.
Wenn übrigens morgen noch Spaziergang sein sollte, so erwartet mich nur!
Mit den Brief an Onkel Edmund wollen wir doch bis Weihnachten warten Ich hab so viel zu thun!
Sonnabend.
Zu meiner Freude ist Schenk heute ganz von der Krankenstube gekommen