1860, Briefe 124–201
147. An Wilhelm Pinder in Naumburg
<Pforta, Mitte Mai 1860>
Lieber Wilhelm!
Entschuldige ja, daß ich dir so lange nicht geschrieben habe; wir haben aber jetzt wirklich immer sehr viel zu thun, so daß ich nur wenig freie Zeit erübrige. Es hat mich sehr gefreut, daß dir mein Pfingstplan gefällt; Mamma und Lisbeth wollen früh voran gehn und wir folgen Mittag nach. Da wir uns jetzt so lange nicht gesehen haben, bitte ich dich sehr darum, zu unsern Schulfest herauszukommen, das aber nicht wie du meinst, auf dem Knabenberge, sondern innerhalb unsrer Mauern nächsten Montag gefeiert wird. —
Mit dem neuen Lehrer Hr. Dr. Heinse sind wir alle recht zufrieden; seine Caesarinterpretation gefällt mir sehr, da er oft auf die Synonymik eingeht. Er kennt dich und Gustav übrigens ganz gut und erkundigte sich bei mir nach euch. Du besuchst ihn vielleicht einmal, was ihm gewiß freuen würde. — Das Wetter ist jetzt immer wunderschön; die Nachtigallen singen auch in unsern Mauern. Hoffentlich wird in den nächsten Tagen baden gegangen. — Es ist übrigens sehr schade, wenn wir uns in den Hundstagsferien so wenig sehen; ich bitte dich, lieber Wilhelm, entscheide dich, mit mir den Harz zu durchstreifen und schreib oder sage mir deine entschiedene Antwort. Ich will dann gleich den Onkel darüber benachrichtigen und er wird sich sicherlich darüber freuen. Also bitte, schreib mir, auch in Betreff unsrer Pfingstparthie, ganz genau, sprich über letztere noch einmal mit meiner Mamma und komme Montag d. 21. heraus zu Deinem
FWNietzsche
Semper nostra manet amicitia!