1863, Briefe 340–403
397. An Rosalie Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 28. November 1863> Sonnabend.
Liebe Tante!
Wir haben uns recht lange nicht gesehn; es hat mich mannigfaltiges verhindert, nach Naumburg zu kommen, schlechtes Wetter oder Ausfallen des Spazierganges und besonders viel Arbeiten. Heute nun schreib ich dir, um dir eine recht traurige Nachricht mitzutheilen, falls du dieselbige noch nicht auf anderem Wege gehört haben solltest: daß nämlich die liebe Frau Pastor Schenk todt ist. Es ist ein doppelt trauriges Ereigniß bei der Menge der unerzognen Kinder und bei dem Ohrleiden des Hr. Pastors. Ich habe seinen Brief an Theodor gelesen; er scheint ganz gebrochen zu sein durch den großen Schmerz. Auch der arme Theodor thut mir sehr leid, und wir wollen ihm ja jetzt thun, was wir können. Wie schade, daß die Mamma nicht da ist!
Also, wenn es dir recht ist, so wird Theodor morgen kommen, und ich wahrscheinlich mit ihm; denn bis jetzt haben mir meine Freunde noch nicht auf meinem Brief geantwortet, in dem ich sie bat, mit mir morgen zusammenzutreffen.
Alles Nähere über die Krankheit und den Tod also wird dir Theodor selbst erzählen; der Spaziergang dauert von ¼3 bis ¼5 Uhr.
Hat denn die Mamma nicht geschrieben? Ich erwarte einen Brief von ihnen. Morgen also mehr, liebe Tante!
Grüße vielemal die liebe Tante Riekchen von mir!
Euer Fritz