1863, Briefe 340–403
352. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 27. April 1863>
Liebe Mamma!
Ich bin seit einigen Tagen auf der Krankenstube wegen meiner Heiserkeit; sie wollte gar nicht weichen; ein fataler Schnupfen stellte sich ein. Letzterer verschwindet immer mehr auf der Krankenstube, aber die Heiserkeit ist noch da. Gestern, Sonntag, habe ich früh ein Paar Blutigel an meinem Halse gehabt; sie sogen gut, es ist auch ein wenig besser. Ich muß sehr diät und warm leben und nicht viel sprechen.
Ich benutze die Zeit zu vielem Schreiben und Schlafen. Es ist langweilig, wenn ich nicht interessante Lektüre hätte. Mitunter besucht mich auch Jemand. — Der Doktor ist heute verreist zu seinem Vater, Dr. Rosenberger versieht seine Dienste.
Ich hatte dir neulich schon geschrieben, schickte den Brief dann aber nicht ab, denn er konnte dich ängstigen, da ich auf die Krankenstube gehn wollte.
Das Wetter ist schlecht und wechselvoll; ich bin froh, jetzt in der warmen Stube zu sein, ebenso, daß ich gerade jetzt unwohl bin, wo ich an der schönen Natur nichts verliere. Schade, daß ich jetzt alles Klavierspieln entbehren muß, es kommt mir alles todt vor, wo ich nicht Musik höre. Wie ich noch drüben war, spielte ich sehr viel die vierhändigen Haydn. Sinfonien; kindlich, reizend und rührend sind sie.
Mitunter und mehr als sonst denke ich über meine Zukunft nach; äußere und innere Gründe machen sie etwas schwankend und ungewiß. Vielleicht könnte ich noch jedes Fach studieren, wenn ich die Kraft hätte, alles andere mir Interessante von mir zu weisen. Schreibe mir doch einmal deine Ansichten darüber; daß ich viel studiern werde, ist mir ziemlich klar, aber wenn nur nicht überall nach dem Brodstudium gefragt würde! —
Sonnabend vor 8 Tagen war Beichte, Sonntag Abendmahl. Daß ich mir alles Beste vorgenommen habe, und die vergangne Geschichte in mannigfacher Beziehung mich zum Nachdenken aufgefordert hat, daß ich besonders alles das, was Du mir geschrieben, reiflich überdacht und auf mich habe wirken lassen — das will ich nicht weiter versichern, ich hoffe, daß mein ferneres Verhalten dafür zeugen wird.
Sobald ich wieder ganz wohl bin und das Wetter schön, komme ich einmal nach Naumburg. Wir haben uns ja lange nicht gesehn. Es wird euch hoffentlich besser als mir gehen. Ich grüße Lisbeth und den Onkel von Herzen.
Lebt alle recht wohl!
Fritz.