1863, Briefe 340–403
343. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Eilenburg
Pforta am 1 März 1863.
Liebe Mamma!
Nachdem ich am vorigen Sonntag, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß ihr verreist seid, nach Naumburg gegangen war und nur den Onkel zu Hause getroffen, habe ich Tag für Tag auf einen Brief von dir gewartet, den ich auch Freitag Nachmittag zu meiner großen Freude bekam. Es scheint euch ja sehr wohl zu gehn; ich wäre selbst am liebsten mit in Eilenburg, wo ich so lange nicht gewesen bin. Nun weiß ich nicht einmal, wie ihr euch in Pforte amüsirt habt; Der Ball kam mir im Allgemeinen ziemlich gemüthlich, nur etwas langweilig vor. die Obersecundaner haben nach meiner und aller Meinung famos gespielt und unser Spiel ist etwas dagegen abgefallen. Das Hauptverdienst ist in jeder Weise Meyer zu zuschreiben, der die ganze Geschichte geleitet hat. — Wir haben die Zeit jetzt ungewöhnlich viel zu thun. Ueberall Repetitionen, da das Ende des Semesters nahe ist. Wird denn Lisbeth am Königsgeburtstagsball theilnehmen? —
Das Ereigniß dieser Tage ist, daß Meyer zu unserm größten Leide relegiert worden ist und zwar wegen eines Prello nach Almrich, das er mit meheren meiner Bekannten unternahm, aber auf dem Rückweg von meheren Lehrern gefaßt wurde. Um so mehr thut uns dies wehe, als Meyer in dem letzten halben Jahr sehr gut bei den Lehrern stand und sich selbst sehr anstrengte. Es sind auch von den Lehrern alle mögliche Maßregeln getroffen worden ihn zurückzuhalten, aber einige erschwerende Umstände verhinderten dies. die letzten Tage seines Aufenthaltes leben wir nun ganz noch zusammen, von allen Seiten werden ihm Beweise der Liebe und Anhänglichkeit zu Theil; denn er wird von allen, die ihn näher kennen, sehr hoch geschätzt. Dieser Sonnabend, wo die Synode war, und wir in der größten Aufregung, war entschieden der traurigste Tag, den ich in Pforte verlebt. Sein ferneres Geschick ist nun äußerst zweifelhaft, da er gar keine Mittel hat. —
Ich erwarte sehnlichst eure Ankunft; grüßt meine lieben Eilenburger Verwandten vielemal von mir!
Lebt recht wohl!
Fritz.