1863, Briefe 340–403
372. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 22. August 1863>Sonnabend früh.
Liebe Mamma.
Entschuldige recht, daß es mir nicht möglich war eher zu schreiben oder selbst zu kommen. Ich hatte besonders viel, mehr als gewöhnlich zu thun. Und wie gern hätte ich dich gerade nach den Brief dreier betrübenden Nachrichten gesprochen. Ich bin so verstimmt und ärgerlich und gewissermaßen so wüthend, daß alles dies so gekommen. Der gute Onkel Theodor! Hab ich ihn also doch nicht wieder gesehn! Ich habe sein Bild mir diese Tage so oft angesehn und immer bei mir getragen. — Und dann mache ich mir Vorwürfe, daß ich in <den> Hundstagen nicht nach Gorenzen gereist bin. Du kannst überzeugt sein, es wäre anders gekommen mit beiden. Und denkt ihr denn, daß das Seebad hier alles thun wird? Für das Körperliche, vielleicht, möglich; für das Geistige, was doch immer Hauptsache ist, nimmermehr. Vor allen kann Tante Sidonie keine Minute mehr bei ihm bleiben. Dem Onkel wärs besser zu reisen, in ein Gebirge, zu Fuß, als in der Ruhe eines kleinen Badenestes zu verdumpfen. Die andre Geschichte ist eine Lächerlichkeit, ein Rückschlag unsrer Naumburger Tinkaidee, eine Folge seines geistigen Uebelbefindens, auf keinem Fall bindend, auch für den Fall eines Verlöbnisses. Wenn ich nur dort wäre! Schreiben werde ich nicht an den Onkel. Wenn er in Maßnitz ist, sag ihm, ob er nicht etwas nach Pforta kommen könnte.
Nun leb wohl. Morgen gedenke ich Euch in Almrich zu sehn und hoffe und freue mich darauf Lisbeth zu finden, die ich so lange nicht gesehn. Nächste Woche ist also die Hochzeit, ich bedaure, ganz bestimmt nicht kommen zu können.
So. Seid recht wohl!
Euer Fritz.