1862, Briefe 292–339
338. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 19. November 1862>
Liebe Mamma!
Das war mir sehr unangenehm, daß ich vorigen Sonntag nicht loskam; und es ist unter allen Verhältnissen eine Taktlosigkeit
Peters gegen Hr. Rath Krug. Ich habe am folgenden Tag an Gustav geschrieben. Ebenso gedachte ich dir Sonntags, bevor ich zu Krugs gienge, noch Nachricht über Schenk und Dabis zu bringen; was nun auch nichts wurde. Sie wollen Morgen (Donnerstag) kommen; da wird Volkmann eingeführt und wir haben Spaziergang bis 3 oder 4 Uhr von nach Tische ab. Ich werde wohl auch kommen, besonders wenn ich den lieben Onkel Burkhard treffen könnte. Außerdem ist ja Sonntag als am Todtenfest kein Spaziergang.
Ich habe jetzt immer erstaunlich viel zu thun, befinde mich aber wirklich wohler als je, so wohl körperlich als geistig. Bin immer in heiterer Stimmung und arbeite mit großer Lust. Ich kann nicht begreifen, wie du dich nur noch einen Augenblick über die Folgen jener Geschichte bekümmern kannst, da du ja sie richtig aufgefaßt und mir in dem Briefe vorgehalten hast. Ich werde mich auch wohl vor ferneren Unüberlegtheiten hüten; aber daß ich nur etwas länger darüber verstimmt gewesen, daran ist nicht zu denken. Mögen Heinze und andere darin suchen was sie wollen — ich weiß was drin lag und damit bin ich völlig beruhigt. Wie gesagt, ich habe mich selten in einer wohleren Stimmung gefühlt als jetzt, meine Arbeiten gehen mir gut vorwärts, ich habe sehr vielfachen und angenehmen Umgang — und an ein Beeinflussen ist nicht zu denken, da ich da erst Personen kennen lernen müßte, die ich über mir fühlte. Auch die kalte Temperatur finde ich ganz gemüthlich — kurzum ich fühle mich sehr wohl und bin gegen niemand, auch gegen die Lehrer nicht in verbitterter Stimmung. Vielleicht konnten sie als Lehrer die Sache nicht anders auffassen.
Ich übersende heute schmutzige Wäsche und bitte dich mir bald neue zu übersenden. Wenn du übrigens ein feines, großes Halstuch hättest, so wäre mir dies jetzt lieber als das Tragen von Slips.
Herzliche Grüße an Lisbeth und den lieben Onkel!
Dein
Fritz.
Ich kann übrigens heute die Wäsche nicht schicken, der Schlafsaal ist nicht offen.