1862, Briefe 292–339
308. An Rosalie Nietzsche in Naumburg
<Pforta, zweite Maihälfte 1862>
Liebe Tante.
Da mir die Mamma anbefohlen hat, mich, wenn ich irgend etwas brauche, an dich liebe Tante zu wenden, so schreibe ich dir heute und schicke den Erziehungsbericht mit. Schenk hat die Maßern, wie seine Schwestern und liegt in einer Stube allein bei verhängten Fenstern. Er dauert mich sehr. Ich möchte ihn so gern etwas zur Beschäftigung und Amüsement schicken und weiß gar nicht was. Bücher kann er jetzt noch nicht lesen und Spiele für eine einzelne Person kenne ich auch nicht.
Liebe Tante, erlaubst du vielleicht, daß ich dich nächsten Sonntag besuche, wofern es dir natürlich paßt, und nichts dazwischen kommt? Der Spaziergang dauert von 4—6 Uhr. — Nun lebe recht wohl, liebe Tante! Wir wollen uns hoffentlich mündlich mehr sprechen!
Dein dich herzlich liebender
FWNietzsche