1862, Briefe 292–339
303. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, Ende April-Anfang Mai 1862>
Liebe Mamma!
Erst heute komme ich dazu, dir wieder einmal zu schreiben. Dank für deinen letzten Brief: ich hoffe, daß sich dein Vertraun zu mir rechtfertigen wird. Neues erlebt habe ich gar nicht, sondern nur viel zu thun gehabt. Sonntag werden wir uns nicht sehen können, weil ich da zum heiligen Abendmahl gehe. Dazu wünsche mir, liebe Mamma, Gottes Segen! Ich weiß nicht recht, wie ich mein Versehn bei den Tanten wieder gut machen kann. Schreibe mir doch, was das Beste ist.
Wäsche brauche ich jetzt sehr nothwendig, vor allen Bettwäsche, weiße Strümpfe so weit wie nur möglich, Hemden, Vorhemdchen, Handtuch, Taschentücher usw. Wenn du Wilhelm oder Gustav vielleicht siehst, so sage ihnen doch, sie möchten mir das Betreffende spätestens bis Montag schicken.
Portemonnais, Zahnbürste und Kamm schicke ich mit, das Geld hat so knapp gerade gereicht, daß ich wie ich her kam, auch blos noch 5 Srg. hatte. Und die brauchte ich hier nothwendig. Lisbeth war erstaunt, daß du mir nicht mehr mitgegeben; so eine Reise läßt sich gar nicht so vorher genau berechnen, eine Menge kleine Ausgaben sind da, man weiß nicht wie. Der Mangel, daß ich nicht als alter Obersecundaner 5 Srg. Taschengeld bekomme, tritt mir sehr merklich hervor. Ich soll jetzt hier 5 Srg. Flottenkasse, dort 5 Srg. Hülfskasse, da ebensoviel in die Klassenkasse zahlen und habe gar nichts. Wie das werden soll, weiß ich nicht. Ich kann mit zwei Groschen nicht durchkommen und das geht überhaupt in den höhern Klassen nicht.
Nun lebe recht schön wohl und schreibe und schicke ja morgen
an Deinen
Dich herzlich liebenden
Fritz