1865, Briefe 459–489
464. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Bonn, Mitte März 1865>
Liebe Mamma und liebe Lisbeth!
Dies ist das letzte Blatt, was Ihr von mir in die Hände bekommt; das nächste Mal habt Ihr mich selbst in den Händen.
Neues Erlebt — nur wenig; heute Abend halte ich meinen Vortrag über die kirchlichen Zustände der Deutschen in Nordamerika. Leider bin ich sehr heiser.
Ein Schema für die Anhalteschreiben habe ich auf der Universität nicht bekommen können, da es keine gab. Ich habe mich bei solchen, die öfter angehalten haben, erkundigt, und sie haben die gewählte Form als richtig befunden.
Ich freue mich ungemein auf unser Zusammensein. Es ist mir aber unmöglich Zeit und Stunde zu bestimmen, wann ich kommen werde. Ich habe nämlich einem Bekannten versprochen, mit ihm zu reisen. Wahrscheinlich komme ich nächsten Montag oder Dienstag an. Um so schöner ist übrigens die Ueberraschung.
Was das Gepäck betrifft, so werde ich morgen den Koffer als Frachtgut besorgen lassen, was am billigsten ist. In das kleine Kistchen geht nicht alles hinein. Das Mitschleppen des Gepäckes von Bahnhof zu Bahnhof ist das theuerste und das unbequemste. Ich kann ja leider nicht in einem Tage von hier nach Naumburg kommen.
Ich habe stud. philologiae nicht darauf geschrieben, weil ich nur in die theologische Fakultät eingeschrieben bin. Mag ich noch so viel Philologie treiben, das Anrecht auf den Titel bekomme ich dadurch nicht. Wohl aber kann ich noch dazusetzen stud. philos. —
So, das waren die kleine<n> Angelegenheiten. Nun lebt recht wohl, meine liebe Mama und Lisbeth! Grüßt die Tanten freundlichst und alle, die mich gern wiedersehn werden. Ihr habt mir in Euren letzten Briefen nie etwas über Pforte, über Fastnachten und dergl. geschrieben. Ich bin, denke ich, noch da, wenn die Abiturienten abgehn.
Zu der betreffenden Soirée werde ich wahrscheinlich wenig Lust haben, da ich vielleicht an diesem Tage erst ankomme. Indeß es käme darauf an, ob Ihr gerne hingeht und wer hinkommt?
Aber sonst, denke ich besuchen wir alle möglichen Gesellschaften. Ich bleibe etwa bis zum 23 April bei Euch.
Jetzt habe ich noch collossal zu arbeiten an einer philologischen Arbeit für Prof. Jahn.
Nun lebt recht wohl!
Euer Fritz.
Auf fröhliches Wiedersehn!