1866, Briefe 490–534
521. An Elisabeth Nietzsche in Oelsnitz
<Bad Kösen, kurz nach dem 15. September 1866>
Liebe Lisbeth,
Damit es nicht scheint, als ob ich der Einzige von uns beiden sei, der Deiner gar nicht gedenkt, benutze ich diesen unnützen Zettel, um ihn Dir als Weihgeschenk zu opfern: als worüber Du Dich freuen darfst. Denn er ist entsandt in Kösen, vollgeschrieben nach Tische, als ich gesättigt war, mit Kösener Dinte, gekauft bei Merzyn, beschmiert und bestimmt dazu ein Köder, zu sein, um nach Kosen Dich zu locken. Hast Du übrigens Lust, noch in der Ferne zu bleiben, so werde ich nicht wüthend sein.
Ich arbeite hier, mit ziemlicher Lust, schlechter Dinte und genügender Einsamkeit. Ritschl schrieb gestern an mich meiner Theognidea halber, deren Loos zunächst ist, von mir noch einmal revidiert zu werden und dann in die Bonner Druckerei zu wandeln. Der Titel, den Ritschl vorschlägt ist Zur Geschichte der Theognideischen Spruchsammlung’. Er schrieb mir, daß auch Dindorf meine Arbeit gelesen habe und sie druckenswerth befinde. Ich habe wieder massenhaft Bücher aus Pforte um mich herum. Heute soll wieder eine neue Zufuhr bewerkstelligt werden.
Das Wetter ist etwas kalt und wenn Du Schlitten fährst, so denke an mich und erkälte Dir den Magen nicht. Welchem Übel man leichter ausgesetzt ist als der Schlitten selbst.
Jetzt ziehe ich mich bescheiden zurück und erkläre meinen mittheilbaren Stoff verbraucht zu haben. Uebrigens fühle ich mich als Philolog in Kösen ebenso wohl als ich mich als Mensch ärgere: das Alterthum ist nämlich hier fast einseitig vertreten.
Die Mamma putzt sich gern und giebt nicht gern Geld für Conzerte, wohl aber für Kirchen aus. Hiermit lebe recht wohl
Dein F.