1867, Briefe 535–558
543. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Leipzig, 27. Mai und 3. Juni 1867>
Liebe Mama und Lisbeth,
endlich bekommt Ihr wieder Nachricht und wie ich denke eine angenehme Nachricht von mir. Ich werde nämlich meine Pfingstferien diesmal etwas eher beginnen und deshalb in größter Kürze wieder bei Euch in Naumburg sein.
An weitere Vergnügungsreisen kann ich diesmal nicht denken, da ich mit meiner Arbeit sehr im Rückstande bin. Diese aber hoffe ich in Eurer Nähe, im Übrigen aber in möglichster Abgeschiedenheit zu vollenden. Daß Ihr mir alles hübsch vorrichten werdet, kann ich wohl hoffen.
Ich werde also nächsten Mittwoch in Naumburg eintreffen.
Hier geht alles leidlich. Unser Ritschl war wieder krank und hatte eine Rose am Fuße. Gestern hat er das erste Colleg wieder gehalten, mußte aber in einer Porte-chaise bis an die Tür des Auditoriums getragen werden.
Die Messe mit ihrem aufregenden Getöse ist nun überstanden. Meine Behausung gefällt mir, doch habe ich das beneidenswerthe Bewußtsein, von meinen Wirthsleuten als Citrone behandelt zu werden, aus der möglichst viel Saft dh. Geld herauszupressen ist.
In unserm Verein sind wir wie immer thätig.
Das Wetter ist so schlecht wie es in voriger Woche in Petersburg <war>. Ich fürchte, auch das Wetter ist sehr anhänglich an unsern Petersburger Gast, der wieder in Leipzig weilt, Hedwig Raabe.
Unseren Reitcursus haben wir bis nach Pfingsten verschoben, weil wir Übertheuerung zur Meßzeit fürchteten.
Sonntag waren wir, Rhode, Koch und ich, in dem überaus angenehmen Muldethale hinter Grimma. Es giebt kaum erquicklichere Gegenden.
Das Militärzeugniß habe ich wieder gefunden. Ich war noch nicht in Halle. Vielleicht bei der Rückkehr aus den Pfingstferien. Meine Promotion zum Doktor muß ich doch aus praktischen Gesichtspunkten auf einer preußischen Universität vornehmen. Wo, weiß ich noch nicht.
Also auf schönes Wiedersehen! Ihr merkt, daß Naumburg und Leipzig ziemlich nahe bei einander sind.
Euer Fritz.
Im November — Mai 1867.
NB. Der Brief ist etwas liegen geblieben. Es bleibt aber so wie ich schrieb.
Übermorgen komme ich. Gestern (Sonntag) war ich zu Tisch bei Ritschls. Von Gersdorff bekam ich auch einen Brief, er fühlt sich in seinem Militärstande sehr unglücklich; besonders nachdem der sehnlichst erwartete Krieg zu Wasser geworden ist.
Vor einigen Tagen habe ich auch den Vormund in Leipzig getroffen; er hat auch mein Logis besucht.