1868, Briefe 559–606
606. An Erwin Rohde in Hamburg
<Leipzig,> Am 22 Dezember. <1868>
Mein lieber Freund,
ich denke Dir mit den wenigen nachfolgenden Zeilen eine kleine Weihnachtsfreude machen zu können: und deshalb beeile mich und bin etwas kurzathmig.
Eben war ich bei dem guten Windisch, um mir Auskunft zu erbitten über die Schicksale Deines Schriftchens, das ich ganz in Windisch’ Hände gegeben hatte. Und siehe: ich fand bereits einen Druckbogen vor, der sehnlich auf die Correktur wartete. Und siehe! kaum war ich eine halbe Stunde bei W. heimisch geworden als ein frecher Buchdruckerjunge kam und den zweiten Bogen brachte. Betreffendem Buben habe ich schleunig meine Addresse gegeben, da ich die Correktur — unter den obwaltenden Umständen — zu übernehmen bereit war. Dies that ich freilich ohne die Autorisation des Autors: indeß was war zu machen bei dieser engelmännischen Behendigkeit? So bitte ich denn um Deine nachträgliche Genehmigung: sorgsam werde ich übrigens sein. — So ist denn zu hoffen, daß noch im Laufe des alten Jahres die Drucklegung beendet ist.
Folgt genauere Beschreibung der Bogen.
Format das der Ritschelschen opuscula, lateinische Buchstaben: 35 Zeilen auf der Seite: somit ein sehr anständiges Äußere. Bogen I umfaßt die Seiten 1—34 Deiner Arbeit, Bogen II 35— 70. Somit werden es ungefähr 4 Bogen werden.
Engelmann wünscht Dich persönlich kennen zu lernen und bittet Dich, wenn Du durch Leipzig kommst, ihn zu besuchen. Du wirst an ihm einen nobeln Verleger haben. Übrigens weiß ich gar nichts von Bedingungen, die er gemacht hätte; und Du kannst ihm schließlich vertrauen, daß er Dir die nöthige Anzahl Freiexemplare zustellt.
Ach wie bin ich selbst froh, daß diese Sache so geglückt ist, da sich niemand mehr — Du nicht ausgenommen — über das Mißlingen geärgert haben würde als ich: habe ich doch die Verantwortung dafür zu tragen, daß ich Dir zu dem Rhein. Museum rieth, und daß dieser Rath so übele und verdrießliche Früchte trug.—
Weihnachten, liebster Freund, ist vor der Tür: einsam leb ich für und für: schreib mir bald, das dank ich Dir , doch so kurz nicht als ich hier.
In treuster Treue
Dein
Friedr. Nietzsche.