1868, Briefe 559–606
566. An Friedrich Zarncke in Leipzig
Naumburg d. 15 April. <1868>
Hochverehrter Herr Professor,
daß ich so spät erst antworte, ist nicht meine Schuld: der Geist war willig, aber der Arm war schwach. Denken Sie, daß ich bereits seit sechs Wochen außer Dienst bin und dafür von einem sehr schmerzhaften, langsam weichenden Übel heimgesucht werde. Beim Reiten habe ich mir ein paar Brustmuskeln zerrissen, eine Menge Blut hat sich dadurch versetzt; und eine großartige Eiterung nebst krampfhaften Anspannungen aller Brust-Rücken- und Armbänder ist die leidige Folge.
Doch was unterhalte ich Sie mit so häßlichen Dingen? Nur glauben Sie mir, daß ich augenblicklich noch sehnlicher wünsche, meinen Balduin selbst wieder satteln und besteigen zu können, als so schöne laudes wirklich zu verdienen, deren Sie freundlichst in den ersten Zeilen Ihres geehrten Briefes gedachten. Es giebt Gelegenheiten, wo „competente Seiten“ zwar sehr liebenswürdig, aber sehr incompetent sein können.
Im Übrigen sehen Sie mich durch die That bereit, auf Ihren sehr gefälligen Vorschlag betreffs des litt. Centralbl. einzugehn. Anbei folgt eine kurze Anzeige des Schömannschen Buches. — Das Gebiet, in dem ich glaube leidlich bewandert zu sein, ist das einer Quellenkunde und Methodik der griechischen Literaturgeschichte; um außerdem noch einige Namen zu nennen, die mir näher stehen, so mögen hier außer Hesiod noch Plato, Theognis sammt den Elegikern, Demokrit, Epikur, Laertius Diogenes, Stobäus, Suidas, Athenäus eine Stelle finden.
In dankbarer Ergebenheit
Friedrich Nietzsche
Gefreiter (noch nicht Befreiter)
von der 2ten reit. Batterie
des Magdeburgschen Feldartill.reg. Nr 4.